Das von zahlreichen Weilern umgebene Städtchen liegt oberhalb des Zusammenflusses von Langeten, Rotbach und Wyssachen an der Grenze zum Kanton Luzern. Verkehrsknotenpunkt zwischen Emmental, Oberaargau und Luzerner Hinterland sowie Zentrum des östl. Teils des ehemaligen Amtsbezirks Trachselwald bzw. des oberen Langetentals. Für Huttwil als Teil des Oberaargaus im relativ spät besiedelten Napfvorland fehlen Hinweise auf eine Besiedlung vor dem 7./8. Jh. Als Besitzerin tritt um die Mitte des 9. Jh. die im Oberaargau begüterte Adelssippe der Adalgoze auf. In ihrer Nachfolge erscheinen im 11. und 12. Jh. die Grafen von Rheinfelden und die Grafen von Fenis-Neuenburg. Die Fenis vergabten ihren Besitz in Huttwil um die Mitte des 12. Jh. an die Abtei St. Johannsen bei Erlach. Agnes von Rheinfelden schenkte zusammen mit ihrem Gatten Berchtold II. von Zähringen den Kirchensatz (hier erstmals erw.; Patrozinium unbekannt) evtl. bereits 1093, spätestens 1108 an das Kloster St. Peter im Schwarzwald. Gerichtsbarkeit und alle übrigen zähring. Rechte fielen 1218 an die Grafen von Kyburg, doch traten die Neu-Kyburger diese 1313 an die Habsburger ab, um sie als Lehen neu zu empfangen. Im Gefolge der Schlacht bei Laupen wurde das Städtchen 1340 durch die Berner zerstört. 1378 waren die Neu-Kyburger gezwungen, das zum oberaarg. Landgericht Murgeten gehörende Huttwil mit hohen und niederen Gerichten an Johann Grimm von Grünenberg zu verpfänden. Vermutlich auf Betreiben Berns erwarb 1404 Burkhard von Sumiswald Huttwil mit voller Herrschaft von den Grünenbergern, doch veräusserte er es 1408 an die Stadt Bern. Nachdem 1414 auch das Lösungsrecht der Grünenberger in bern. Besitz geraten war, wurde H. 1516 zur emmental. Landvogtei Trachselwald geschlagen. Mit der Reformation gelangte der Kirchensatz an Bern (Kauf 1557, Neubau der Kirche 1705). Bis 1798 war Huttwil eine der drei Hochgerichtsstätten der Landschaft Emmental. Im Bauernkrieg von 1653 wurde Huttwil zu einem der Zentren des Aufstandes. Nach dem Abschluss des Wolhuser Bundes fand hier am 24.2./6.3.1653 eine der ersten grösseren Versammlungen der Berner Bauern statt. Am 4./14.5.1653 wurde an einer Landsgemeinde der zuvor in Sumiswald entworfene Bundesbrief beschworen.

Die Befestigung zur Stadt erfolgte im Grafenkrieg zwischen Rudolf von Habsburg und Peter von Savoyen (nach 1250/1270). 1313 wird Huttwil erstmals als Stadt bezeichnet, doch wird ein Schultheiss bereits 1280 und 1294 erwähnt; Marktrecht (1467), Zollrecht (1505) und Stadtsatzung (1659) wurden erst in bern. Zeit schriftlich fixiert. Die Wahl des Schultheissen scheint immer beim Inhaber der Herrschaft gelegen zu haben (ab 1616 belegt). 1583 kaufte sich die Landschaft Emmental in das Siechenhaus Huttwil ein (Auflösung 1798). 1543 erfolgte die erste Allmendordnung der sog. Herdgemeinde, die ein Vorkaufsrecht der in der Herdgemeinde genossenschaftlich zusammengeschlossenen Herdbewohner für die Güter vorsah und Bestimmungen über Nutzung und Einschläge enthielt. Mit “Herd” wurden ursprünglich die Allmenden zu H. bezeichnet, doch übertrug sich der Begriff auf den ganzen Siedlungs- und Flurraum der an den Allmenden Nutzungsberechtigten. Die Auseinandersetzungen zwischen Hofbesitzern und Taunern um die Nutzung der Allmend dauerten bis 1828. Vermutlich in der 1. Hälfte des 17. Jh. trennten sich die Herdgemeinde (Viertel Städtli, Uech, Allmend, Oberdorf, Hub und Niederhuttwil, heute alle innerhalb der überbauten Ortschaft) mit Nutzungsrechten auf der Allmend und die ausserhalb gelegene Hofgemeinde (erstmals belegt in Stadtsatzung 1659, Vermarkung erst 1764). Die Einkünfte aus Zoll, Ohmgeld und städt. Konzessionen wurden jedoch gemeinsam verwaltet und die Armenlasten gemeinsam getragen (Memorial von 1760). 1849 wurde der Weidgang auf die Allmend aufgegeben, die sog. Brachen wurden aufgeteilt und den Herdburgern auf Lebenszeit zur Nutzung überlassen. Diese verpachten das Land seit 2002 an Landwirte. Die Herdgemeinde ist noch heute bedeutende Land- und Waldbesitzerin. Der Ausscheidungsvertrag zwischen Burger- und Einwohnergemeinde datiert von 1862. Mit der Auskaufssumme gründete die Burgergemeinde 1864 die Ersparniskasse Huttwil. Sie wurde 1992 von der Bank in Huttwil übernommen und später in Clientis Bank Oberaargau umbenannt. Die Stellung als Marktort und das Aufkommen der Leinwandherstellung (Heimindustrie) hatten die Wirtschaft von Huttwil bereits seit dem 18. Jh. stark gewerblich geprägt (Gewerbeverein 1850). Im 19. Jh. erlebte Huttwil einen bescheidenen industriellen Aufschwung mit Leinwandweberei, Wollspinnerei, Pferdehaarspinnerei, Strickereien (ab 1886), Gerbereien, Sägereien und Möbelfabrikation (ab 1876). Im 20. Jh. entstand eine Reihe kleinerer und mittlerer Betriebe (Senf- und Teigwarenfabrik, Metallbearbeitung, automat. Fertigungstechnik). Im landwirtschaftl. Bereich bildete sich nach ersten Käsereien um 1850 die landwirtschaftl. Genossenschaft (1890) sowie eine Obstverwertungsgenossenschaft (1909-89). Eine Konsumgenossenschaft existiert seit 1902.

Huttwil lag seit alters an der direkten Verbindung Bern-Luzern (ab 1789/90 regelmässiger Postkutschenkurs; ab 1840 konkurrenziert durch die neue Fahrstrasse durch das Entlebuch). Die Anstrengungen von 1871, die Fortsetzung der Bahnlinie Bern-Langnau durch das Unteremmental über Huttwil nach Luzern zu führen, waren vergeblich. Dadurch gelang der Anschluss ans nationale Eisenbahnnetz verspätet. 1889 wurde die Bahnlinie Langenthal-Huttwil eröffnet, 1895 folgte eine Linie nach Wolhusen, 1908 jene nach Ramsei-Sumiswald (bis 2004) und 1915 jene nach Eriswil (1975 durch Busbetrieb ersetzt). 1944 schlossen sich die Trägergesellschaften der ersten drei Strecken zu den Vereinigten Huttwil-Bahnen zusammen, welche die Elektrifizierung der Bahnlinien in Angriff nahmen und eine Betriebsgemeinschaft mit der Emmental-Burgdorf-Thun-Bahn und der Solothurn-Moutier-Bahn mit Sitz in Burgdorf bildeten. 1997 fusionierten diese drei Bahngesellschaften zur Regionalverkehr Mittelland AG, die sich ihrerseits 2006 mit der BLS zusammenschloss.

Der Stadtkern erhielt seine heutige Gestalt, eine klassizist. Anlage in ländl.-biedermeierl. Form, nach dem Stadtbrand vom 8. und 9. Juni 1834. Lange Auseinandersetzungen zwischen armen und reichen Bevölkerungskreisen, zwischen fortschrittl. Liberalen und altgesinnten Konservativen waren dem Wiederaufbau vorangegangen. Die dreizeilige Anlage mit Fachwerk- und Steinhäusern und dem zentralen Brunnenplatz wurde gemäss einem Plan des Berner Stadtbaumeisters Johann Daniel Osterrieth gestaltet. Die Kirche, auf den alten Grundmauern, aber mit erhöhtem Turm und Zwiebelhelm wieder aufgebaut, widersetzt sich dem strengen Orthogonalraster. Im Gefolge des nach dem Bahnbau von 1889 einsetzenden wirtschaftl. Aufschwungs dehnte sich die Siedlung entlang neu angelegter Strassen Richtung Bahnhof im Westen, aber auch Richtung Osten aus (1897 Alignementsplan, 1909 erstes Baureglement). Es entstanden einzelne städtisch inspirierte Reihenhäuser, hauptsächlich aber Einzelgebäude und Villen um den Bahnhof. In einem neuerlichen Wachstumsschub nach dem 2. Weltkrieg bildeten sich neue Ein- und Mehrfamilienhausquartiere im Westen (Fiechtenfeld) und Osten (Weieracker) sowie das Industriequartier Rüttistalden. Seit 1939 besitzen auch die kath. Einwohner von Huttwil, die zur röm.-kath. Kirchgemeinde Langenthal gehören, eine eigene Kirche (Bruder-Klausen-Kirche, Neubau 1983). Mit der Eröffnung der Sekundarschule 1873 und dem Bezirksspital 1903 (Neubau 1929, das alte Spital ist seither Altersheim) entwickelte sich H. zum regionalen Infrastrukturzentrum. Der 2. Sektor stellte 2000 gut einen Drittel der Arbeitsplätze in der Gemeinde. Bereits 1919 führte die Einwohnergemeinde das Proporzwahlrecht ein.

Text: Rettenmund, Jürg: “Huttwil”, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS),
Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000550/2008-06-16, Lizenz CC BY-SA 4.0, Text angepasst 2.10.2019

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